Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
APA/Hans Punz
Nehammer

Nur noch „Feinschliff“ bei Impfpflicht

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hält am Inkrafttreten der Covid-19-Impfpflicht am 1. Februar fest. Große Änderungen sind nach dem nunmehrigen Ende der Begutachtung nicht mehr zu erwarten: Nehammer kündigte am Dienstag im APA-Interview lediglich einen „Feinschliff“ an. Am Montag endete die parlamentarische Begutachtung der Impfpflicht, Zigtausende Stellungnahmen langten ein, teils idente Texte von Impfgegnern.

Die „seriösen Einwendungen“ würden nun geprüft und gegebenenfalls eingearbeitet. Einmal mehr machte Nehammer aber klar, dass das Vorhaben umgesetzt wird: „An der Notwendigkeit der Impfpflicht besteht kein Zweifel aus meiner Sicht.“ Es sei jetzt im parlamentarischen Prozess notwendig, dem Gesetz den „Feinschliff“ zu geben. Gefragt, ob trotz Einwänden etwa der ELGA GmbH auch der Start mit Anfang Februar hält, bekräftigte der Kanzler: „Aus meiner Sicht: Ja.“

Die ELGA GmbH hatte mitgeteilt, dass die technische Umsetzung frühestens ab April möglich sei. „Wir sollten jetzt nicht von vornherein, weil es Herausforderungen gibt, den Kopf in den Sand stecken.“ Nehammer verwies darauf, dass Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) etwa bereits die Variante ins Spiel gebracht hat, dass man zunächst ein Kontrolldelikt daraus macht.

Impfpflicht-Debatte geht weiter

Die Regierung hält trotz Debatte an der Einführung der Impfpflicht ab Februar fest. Mittlerweile mehren sich die kritischen Stimmen, die vor allem eine Verschiebung der Impfpflicht thematisieren.

Solange ELGA noch nicht so weit ist, würden die Behörden also ähnlich wie im Straßenverkehr Kontrollen durchführen. Wie das operativ umgesetzt werden könnte, soll Mückstein jetzt mit den Parlamentsparteien verhandeln. Es handle sich allerdings nur um „technische Details“, sagte Nehammer. Bei Nichteinhaltung soll es jedenfalls „selbstverständlich“ Geldstrafen geben.

Auch Mückstein unterstrich am Dienstag in einem Hintergrundgespräch vor Journalisten, dass der Zeitplan fix sei. Schon kommenden Montag soll die Impfpflicht inklusive Expertenhearing im Gesundheitsausschuss beraten werden. Dann wäre auch der Weg für einen Beschluss im Plenum wenige Tage später frei. „Die Impfpflicht wird mit Anfang Februar starten“, so Mückstein. Man werde einen Entwurf vorlegen, der auch die technischen Voraussetzungen beinhalte.

Wirtschaftskammer für Verschiebung

Die Sozialpartner meldeten sich gemeinsam zu Wort. In einer gemeinsamen Präambel, auf die die Wirtschaftskammer in ihrer Stellungnahme verwies, setzen sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite für ein schrittweises Vorgehen aus Information, Beratung und Anreizen zur Steigerung der Impfquote ein. Die Wirtschaftskammer weist explizit darauf hin, dass die gesetzliche Festlegung einer Impfpflicht aber nur die Ultima Ratio sein kann, und empfiehlt derzeit eine Verschiebung des Inkrafttretens der Impfpflicht.

Skeptisch äußerte man sich in Sachen Impfpflicht auch in Tirol. Die Impfpflicht sei eine „immense Herausforderung“, hieß es – mehr dazu in tirol.ORF.at. In Vorarlberg geht man von einem hohen Verwaltungsaufwand aus – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. In der Steiermark bereitet man sich auf zahlreiche Einsprüche vor und rechnet mit zusätzlichen Personalkosten von bis zu 18 Mio. Euro – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Rekord bei Stellungnahmen

Das Begutachtungsverfahren des Gesetzes für die Impfpflicht brach einen Rekord. Bis Ende der Frist Montagmitternacht seien 108.325 Stellungnahmen – so viele wie noch nie – auf der Website des Hohen Hauses eingetroffen, berichtete die Parlamentskorrespondenz. Der Großteil davon kam von Privatpersonen, die ihren Protest gegen das Vorhaben oftmals in gleichlautenden Texten zum Ausdruck brachten.

Die Stellungnahmen werden nun dem Gesundheitsressort übermittelt. Insgesamt seien noch nie so viele Kommentare zu einem Gesetzesvorhaben in der Parlamentsdirektion eingelangt, hieß es. Ausreichend Diskussionsmöglichkeit über diese Materie wird es noch am 17. Jänner im Gesundheitsausschuss geben, wo der Entwurf für das Covid-19-Impfpflichtgesetz in Form eines wortgleichen Initiativantrags von ÖVP und Grünen im Rahmen eines öffentlichen Expertenhearings behandelt wird. Auch dazu liegen bis jetzt schon fast 77.000 Stellungnahmen vor.

Schlagabtausch ÖVP – SPÖ

ÖVP und SPÖ lieferten einander am Dienstag einen Schlagabtausch zur Impfpflicht, obwohl beide Bundesparteien dafür sind. Anlass war, dass einige Länderrepräsentanten der SPÖ bzw. Gewerkschaftsvertreter Skepsis gegenüber der Maßnahme geäußert oder ihre Verschiebung angeregt haben. ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner forderte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner dem folgend auf, für Geschlossenheit zu sorgen.

Konkret appellierte sie in einer Aussendung an die SPÖ-Vorsitzende, mit ihren Parteikollegen, allen voran Burgenlands Landeshauptmann und SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil, ein klärendes Gespräch zu führen. Die Impfpflicht sei der einzige Ausweg, „um aus der Pandemie zu kommen und unsere Freiheit zurückzugewinnen“.

SPÖ sieht türkis-grüne Misswirtschaft

In der SPÖ reagierte man mäßig erfreut. In einer Aussendung meinte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, die Impfpflicht brauche man nur, weil die Regierung im Pandemiemanagement versagt habe. Der Parteimanager sieht die Koalition jetzt gefordert, „endlich ihr Chaos zu beenden und eine ordentliche Umsetzung der Impfpflicht zu ermöglichen“. Da „aufgrund der türkis-grünen Misswirtschaft“ auch hier Verzögerungen im Raum stünden, sollte die Regierung schleunigst „positive Anreize wie den von der SPÖ vorgeschlagenen 500-Euro-Impfgutschein setzen“.

Bei den Sozialdemokraten war zuletzt Doskozil dafür eingetreten, statt der Pflicht für Ungeimpfte die Tests teurer zu machen. Der Salzburger Vorsitzende David Egger und sein Tiroler Kollege Georg Dornauer sind für eine Verschiebung. Dafür hatte auch Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl zuletzt Sympathien gezeigt. Insgesamt gilt die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter nicht unbedingt als besonders von der Maßnahme begeistert.

Kostenpflichtige PCR-Tests „interessant“

Was die Debatte über die Impfpflicht innerhalb der SPÖ betrifft, hatte Nehammer im Interview zuvor gesagt: „Für mich ist ausschlaggebend, was die Parteivorsitzende der SPÖ kommuniziert“, und Rendi-Wagner habe sich klar für die Impfpflicht ausgesprochen. Auch der Kärtner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) betonte ein Ja zur Impfpflicht – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Doskozil hatte ja stattdessen für eine indirekte Impfpflicht plädiert, indem man PCR-Tests für Ungeimpfte kostenpflichtig macht. Als zusätzlichen Anreiz hält Nehammer den Vorschlag durchaus für „interessant“ – „warum nicht?“ Man prüfe die Idee.

Gutscheinen fürs Impfen war Nehammer zwischenzeitlich auch offen gegenübergestanden, zuletzt aber wieder skeptisch. Ganz absagen will er sie zwar nicht, aber Experten der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) hätten das geprüft und festgestellt, dass Geld alleine als Anreiz nicht funktioniere. Es sei vielmehr ein Maßnahmenbündel notwendig, so Nehammer. Schon jetzt bringe es Vorteile, sich impfen zu lassen, man dürfe ins Restaurant und ins Einkaufszentrum.

Kontrollen im Handel verschärft

Um zu zeigen, dass es keine Empfehlungen, sondern Gebote seien, würden mit Dienstag die 2-G-Kontrollen etwa im Handel verschärft. Die Einhaltung der Maßnahmen sei jetzt notwendig, um einen neuerlichen Lockdown so gut wie möglich zu verhindern, so Nehammer. „Wir haben jetzt gemeinsam die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir die Situation in Österreich so stabil halten, dass nicht in weiterer Folge wieder ein massiver Lockdown notwendig sein wird.“ So ein „Shutdown“, bei dem so gut wie alles geschlossen sei, könne „tatsächlich nur mehr die Ultima Ratio sein“, und das „gibt die Infektionslage derzeit nicht her“, vor allem, wenn man an die vielen Nebenwirkungen denke.

Eine Grenze, bis wann die Schulen offen bleiben, wollte Nehammer nicht definieren. Klar sei aber, „Schulschließungen führen zu großen psychosozialen Problemen“ bei Kindern und Eltern. Dass man sich nicht um die Situation in den Kindergärten kümmere und einfach eine Durchseuchung in Kauf nehme, wies Nehammer zurück: „Der Bereich wird sehr ernst genommen.“ Es werde gerade intensiv diskutiert, was man da bestmöglich tun könne. Details nannte er auf Nachfrage allerdings nicht.

Kritik an GECKO: Sind da auch lernend

Die GECKO war zuletzt mit Rufen nach mehr Transparenz konfrontiert, die Generalmajor Rudolf Striedinger von der GECKO-Spitze zurückwies: „Erwarten Sie bitte nicht, dass nach Sitzungen der GECKO wir in die Öffentlichkeit gehen und sagen, was wir beraten haben und zu welchen Schlussfolgerungen wir gekommen sind.“ Nehammer lobte zwar die „herausragende Arbeit“ der GECKO, wollte auf die Kritik allerdings schon eingehen: „Wir sind da auch lernend.“

Man könne nicht über jeden einzelnen Diskussionsprozess in dem Beratungsgremium informieren, schränkte er ein, weil das für die Öffentlichkeit verwirrend wäre. Aber es sei mittlerweile ein „Reporting-System“ beauftragt, um Medien etwa darzulegen, welche Fragestellungen behandelt würden. „Hier gibt es nichts zu verstecken.“ Es werde daran gearbeitet, dass das „Interesse an Information ausreichend befriedigt wird“.

„Dank Impfung geht’s mir sehr gut“

Seit am Freitag eine Coronavirus-Infektion bei ihm festgestellt wurde, befindet sich Nehammer zu Hause, abgesondert von seiner Familie. „Dank der Impfung geht’s mir sehr gut. Ich habe bisher einen ganz milden Verlauf“, berichtete er. „Ich würde jede Wette verlieren, dass ich jetzt positiv bin, so gut geht es mir.“ Er sei „sehr froh“, dreimal geimpft zu sein. Laut Experten habe man mit einer dreifachen Impfung einen Schutz von über 70 Prozent vor einem symptomatischen Verlauf.