Weil zu viele „weiße Männer“ schreiben: Wikipedia soll rassistisch sein

Für viele essenziell im Alltag: das Online-Lexikon Wikipedia

Für viele essenziell im Alltag: das Online-Lexikon Wikipedia

Foto: dpa
Von: Judith Sevinç basad

Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia, auf der sich täglich Millionen von Menschen in aller Welt informieren, soll rassistisch sein!

Das wurde in einer Diskussionsrunde des „Deutschlandfunk Kultur“ mit dem Namen „Wie fair ist der Zugang zu Wissen im Netz?“ behauptet. Zu Gast waren die Politologin Emilia Roig und der geschäftsführende Vorstand von Wikimedia, Christian Humborg.

Eine der Hauptthesen: Die Wissensplattform Wikipedia sei rassistisch, weil die Lexikonartikel überwiegend von „weißen Männern“ geschrieben würden.

Auch die Deutschlandfunk-Moderatorin Christine Watty stimmte dieser These zu. Wenn „weiße Männer“ Beiträge auf Wikipedia erstellten, so betonte sie, dann sei das automatisch ein „Herrschaftswissen“, das Migranten, Menschen mit dunkler Hautfarbe und Frauen unterdrücke.

„Weißes“ Wissen

Der Grund für diese fragwürdige Denkart ist eine spezielle Antirassismus-Forschung, die vor allem an den Universitäten in den USA betrieben wird: die „Critical Race Theory“ (deutsch: Kritische-Rasse-Theorie).

Diese Theorie geht davon aus, dass alles, was (vermeintlich) von weißen Männern erschaffen wurde, rassistisch ist. In der Vergangenheit stellten Forscher aus den USA auf diese Weise sogar die Mathematik und schwarze Löcher unter Rassismus-Verdacht.

Die Gesprächsteilnehmer gingen in der Sendung sogar noch einen Schritt weiter und stellten das gesamte Wissen, das in der westlichen Welt kursiert, infrage. So erzählte Emilia Roig, dass das „neutrale, objektive, rationale und universelle Wissen“ eine „Illusion“ sei. Denn die, die das Wissen schafften, seien „immer noch die Gleichen wie die Wissenseliten in der Zeit vor der Ausbreitung des Internets“, also „weiße Männer“.

► Im Klartext bedeutet das: Schwarzen wird unterstellt, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe anders denken, anders mit Wissen umgehen und somit andere Wikipedia-Artikel schreiben.

Problematisch ist hier nicht nur, dass man Menschen aufgrund der Hautfarbe spezielle Denkfähigkeiten zuschreibt, was rassistisch ist. Würde man diese Logik ernst nehmen, dann müssten sich auch mathematische Regeln oder die Beschaffenheit von schwarzen Löchern verändern – je nachdem, welche Hautfarbe deren Erfinder haben.

Die Soziologin und Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Ulrike Ackermann (64) zeigt sich vor diesen Äußerungen besorgt: „Wissen nach Geschlecht und Hautfarbe zu sortieren, wäre selbst wiederum sexistisch und rassistisch“, sagte sie zu BILD.

Und: „Wenn Wissen und Erkenntnis in Zukunft davon abhängig gemacht werden, aus welcher Gruppe von Menschen es entstanden ist – zum Beispiel weiß, schwarz, männlich oder weiblich – verlieren wir unsere gemeinsame Grundlage. Es ist die Rückkehr zur Ständegesellschaft.“

Wissen nach Hautfarbe sortieren?

Aber sogar Christian Humborg, der Chef von Wikimedia Deutschland, schloss sich dieser fragwürdigen Weltsicht an, mit der Studenten und Aktivisten mittlerweile auch deutsche Universitäten unsicher machen. Dass Studenten an den Universitäten gerade „neue Fragen“ stellten und sich „die Lehrpläne verändern“ nannte er einen „Fortschritt“, der „in die richtige Richtung“ gehe, sagte er in der Sendung.

Humborg räume zudem ein, dass es sich ändern solle, dass „das Angebot der Online-Enzyklopädie Wikipedia“ noch „von bestimmten Gruppen produziert“ werde, so zitierte es der Deutschlandfunk in einem Online-Artikel.

Wie genau man „bestimmte Gruppen“ – wie die der „weißen Männer“ – zukünftig davon abhält, Artikel auf Wikipedia zu erstellen, erklärten die Gesprächsteilnehmer im Deutschlandfunk aber nicht.

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