Rewe testet ehrliche Preise: Warum Milch in Wahrheit 1,75 Euro „kostet“

Die Rewe-Gruppe will das Problem der versteckten Kosten bei der Eröffnung eines neuen Nachhaltigkeitsmarktes seiner Discountkette Penny in Berlin thematisieren

Die Rewe-Gruppe will das Problem der versteckten Kosten bei der Eröffnung eines neuen Nachhaltigkeitsmarktes seiner Discountkette Penny in Berlin thematisieren

Foto: Rolf Vennenbernd / dpa

Woche für Woche locken Supermärkte und Discounter in Deutschland mit Sonderangeboten. Dabei müssten Fleisch, Milch und Käse eigentlich viel mehr kosten!

Das ergab eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der Universität Augsburg.

Hackfleisch müsste fast dreimal so teuer sein, Milch und Gouda müssten fast doppelt so viel kosten, wie der Wirtschaftsinformatiker Tobias Gaugler und sein Team errechnet haben.

Und warum?

„Umweltschäden finden aktuell keinen Eingang in den Lebensmittelpreis. Stattdessen fallen sie der Allgemeinheit und künftigen Generationen zur Last“, bemängelt der Wissenschaftler. Gaugler hat im Auftrag des zur Rewe-Gruppe gehörenden Discounters Penny die „wahren Kosten“ für insgesamt 16 Eigenmarken-Produkte der Handelskette berechnet und dabei neben den „normalen“ Herstellungskosten unter anderem auch die Auswirkungen der bei der Produktion entstehenden Treibhausgase, die Folgen der Überdüngung sowie den Energiebedarf berücksichtigt.

Die Auswirkungen auf den Preis sind gravierend - vor allem bei Fleisch und Tierprodukten. So müsste den Berechnungen der Wissenschaftler zufolge der Preis für Fleisch aus konventioneller Aufzucht bei Berücksichtigung der versteckten Kosten um satte 173 Prozent steigen.

Was heißt das konkret?

▶︎500 Gramm gemischtes Hackfleisch aus konventioneller Herstellung würden nicht 2,79 Euro, sondern 7,62 Euro kosten.

▶︎ Normale Milch würde sich um 122 Prozent verteuern, Gouda-Käse um 88 Prozent und Mozzarella um 52 Prozent.

▶︎ Deutlich geringer wären die Aufschläge bei Obst und Gemüse. Bananen würden Gaugler zufolge um 19 Prozent teurer, Kartoffeln und Tomaten um zwölf Prozent und Äpfel um acht Prozent.

Bei Bioprodukten fielen die Preisaufschläge durchweg etwas geringer aus als bei konventionell hergestellter Ware. Doch auch der Preis für Biofleisch würde bei Berücksichtigung der „wahren Kosten“ noch einmal um 126 Prozent steigen.

Produkte sollen zwei Preise bekommen

Die Rewe-Gruppe will das Problem der versteckten Kosten bei der Eröffnung eines neuen Nachhaltigkeitsmarktes seiner Discountkette Penny in Berlin am Mittwoch thematisieren. Für je acht konventionell und ökologisch erzeugte Eigenmarken-Produkte will der Händler dort neben dem Verkaufspreis auch den „wahren Preis“ ausweisen. So stehen auf dem Preisschild für die H-Milch neben dem Verkaufspreis von 79 Cent auch die „wahren Kosten“ von 1,75 Euro und beim Bio-Hackfleisch in der 250-Gramm-Packung neben dem Verkaufspreis von 2,25 Euro auch die „wahren Kosten“ von 5,09 Euro.

Auch wenn der Kunde am Ende nur den normalen Preis zahlen muss, sieht der Rewe-Topmanager Stefan Magel in der Initiative einen wichtigen ersten Schritt zu mehr Nachhaltigkeit. „Wir müssen dazu kommen, die Folgekosten unseres Konsums sichtbar zu machen“, meint er. Nur so könne der Kunde eine bewusste Kaufentscheidung treffen.

Magel räumt ein: „Wir sind als Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Markt ohne Zweifel Teil des Problems.“ Er hoffe aber mit dem aktuellen Schritt Teil der Lösung werden zu können.

Die Augsburger Wissenschaftler hoffen, dass die „doppelte Preisauszeichnung“ das Einkaufsverhalten der Kunden verändert. Es könne ein Beitrag zu mehr Ehrlichkeit bei den Lebensmittelpreisen sein.

Der Bio-Landwirt und Chef des Babynahrung-Herstellers Hipp, Stefan Hipp, betonte kürzlich: „In unser aller Interesse sollten wir darauf drängen, dass sich die wahren Produktkosten bald auf den Preisschildern finden.“ Derzeit trage die Gesellschaft die Kosten für Schäden.

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