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Christian Drosten Virologe liefert erste Erklärungen zu niedrigen Todeszahlen in Deutschland

Gemeinsam mit Forschungsministerin Karliczek hat sich Charité-Virologe Christian Drosten zur vergleichsweise geringen Sterberate an Corona in Deutschland geäußert - und ein neues Forschungsnetzwerk vorgestellt.
Virologe Christian Drosten ist gerade ein gefragter Berater in der Corona-Krise

Virologe Christian Drosten ist gerade ein gefragter Berater in der Corona-Krise

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MICHAEL KAPPELER/ AFP

"Wir haben so wenige Todesfälle, weil wir extrem viel Labordiagnostik machen", sagt Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité und Regierungsberater heute Vormittag in Berlin.

In Deutschland würden derzeit pro Woche über eine halbe Million Corona-Tests durchgeführt. Charité-Vorstandschef Heyo Kroemer ergänzt, Deutschland habe auch früher als andere von der Pandemie betroffene Länder angefangen zu testen. Das lag auch daran, dass hierzulande mehr Zeit war, die Tests vorzubereiten, bevor es viele Coronafälle gab.

Andreas Gassen von der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sprach später in einer Pressekonferenz davon, dass seit dem 9. März bislang in Deutschland 410.000 Tests durchgeführt worden seien. 360.000 Tests pro Woche seien möglich. Hinzu kämen Testkapazitäten in universitären Laboren, die nicht von der KBV erfasst werden. Drosten bezieht diese vermutlich ein und kommt dadurch auf eine höhere Zahl.

Die Tests an sich senken die Todeszahlen nicht. Allerdings ergibt sich durch mehr getestete Personen ein genaueres Bild der Gesamtsituation. Eine hohe Dunkelziffer verzerrt das Bild in Richtung einer hohen Todesrate, wenn vor allem stark von der Krankheit betroffene Menschen getestet werden. Fließen dagegen auch viele Personen mit mildem Verlauf in die Statistik ein, sinkt die Todesrate im Verhältnis.

Dieses Verhältnis könnte sich allerdings schnell verändern. Ein Blick nach Italien zeigt, wie sich die Statistik verschiebt, wenn vor allem Patienten mit schweren Symptomen getestet werden. Auch in Deutschland ist damit zu rechnen, dass mit zunehmender Infektionszahl die schwer Erkrankten stärker ins Gewicht fallen.

Auf der Pressekonferenz in Berlin stellten die Mediziner zusammen mit Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) ein neues Forschungsnetzwerk vor. Diese "Nationale Taskforce" soll laut der Ministerin die wirksamsten Ideen und Rezepte entwickeln, um die Patienten bestmöglich zu schützen. Es ist ein neuer Zusammenschluss aus Bundesforschungsministerium, wissenschaftlichen Netzwerken und Universitätskliniken. Anlass gab laut Karliczek ein Anruf der Bundeskanzlerin, die darum bat, nun die Kräfte zu bündeln.

Das Forschungsministerium unterstütze den Aufbau des Netzwerks mit 150 Millionen Euro. Die Kliniken sollen demnach in einen Erfahrungsaustausch über ihre Maßnahmepläne im Umgang mit der Pandemie treten. Zudem wird eine Zusammenstellung der Daten aller Covid-19-Patienten angestrebt, um einen Gesamtüberblick über Krankengeschichte und Konstitution der Patienten zu bekommen.

DER SPIEGEL

Von der Datensammlung erhoffen sich die Initiatoren - der Charité-Vorstandsvorsitzende Heyo Kroemer und der Direktor der Virologie, Christian Drosten - Erkenntnisse für das Pandemiemanagement und die Impfstoff- und Therapieentwicklung. "Die Universitätskliniken sind besonders nahe an Kranken und an der Forschung dran", erklärte Drosten. Zusammen mit anderen Forschungsnetzwerken und der Politik könne man so schneller auf aktuelle Entwicklungen reagieren.

Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens sollten dem Virologen Christian Drosten zufolge zu einem geeigneten Zeitpunkt stufenweise aufgehoben werden. "Natürlich muss man da raus", sagt Drosten, ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen. Es müsse geklärt werden, wo und für wen dies zuerst gelten solle. Hier sei die Wissenschaft gefragt, es brauche Modellvorhersagen. Risikogruppen wie ältere Menschen einfach zu isolieren, funktioniere aber nicht.

Es sei zu hoffen, dass der jüngste Trend mit immer mehr neuen Fällen jeden Tag langsam abgemildert werden könne. Das könne womöglich in den nächsten Tagen in den Zahlen ablesbar sein.

sug/dpa