80 Jahre nach dem deutschen Überfall: Polen will 850 Milliarden Dollar Reparationen von uns!

Regierung will Rechnung bald präsentieren

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) mit seinem polnischen Amtskollegen Jacek Czaputowicz Ende Juli anlässlich des 75. Jahrestages des Warschauer Aufstands

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) mit seinem polnischen Amtskollegen Jacek Czaputowicz Ende Juli anlässlich des 75. Jahrestages des Warschauer Aufstands

Foto: Kay Nietfeld / dpa
Von: Dirk Müller-Thederan (Warschau)

Dieses Datum wäre alles aber kein Zufall… Am 1. September 1939 überfiel Hitlers Wehrmacht Polen: In den ganz frühen Morgenstunden wurde das einst grenznahe Städtchen Wieluń (100 km östlich vom damaligen Breslau) durch Sturzkampfbomber bombardiert. Nur Minuten später beschoss das ehedem kaiserliche Linienschiff „Schleswig-Holstein“ die Westerplatte in Danzig (heute Gdansk), anschließend marschierten deutsche Truppen auf breiter Front in Polen ein – der 2. Weltkrieg hatte begonnen. Kaum ein anderes Land litt so unter der jahrelangen erbarmungslosen Terrorherrschaft der Deutschen wie Polen, relativ zu seiner Größe aber vor allem gemessen an seiner Bevölkerungszahl. Neuesten Studien zufolge kamen im 2. Weltkrieg bis zu 5,8 Millionen Polen ums Leben - darunter etwa drei Millionen polnische Juden.

Jetzt, pünktlich zum deutschen Angriff vor 80 Jahren, will man in Polen offenbar die Rechnung präsentieren: Angeblich 850 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 766 Milliarden Euro) solle Deutschland für das zahlen, was man dem Nachbarn im Osten damals angetan habe.

Das geht dem Vernehmen nach aus einem Kommissionsbericht innerhalb des Polnischen Parlaments (Sejm) hervor, den Abgeordnete der rechtsnationalen PiS-Regierung in den vergangenen Monaten erarbeitet haben und den man nunmehr der Öffentlichkeit vorlegen will.

Laut polnischen Medien ist dafür der 1. September ein „wahrscheinliches Datum“. Offiziell ist das aber nicht bestätigt.

Klar ist, dass der Bericht, der in den vergangenen Wochen ins Deutsche und Englische übersetzt wurde, enormen Zündstoff birgt und die deutsch-polnischen Beziehungen schwer belasten könnte, vor allem wenn sich die Fronten verhärten.

Laut Potsdamer Abkommen von August 1945 wurden polnische Reparationsforderungen aus deutschen Leistungen an die Sowjetunion (geschätzt etwa 15 Milliarden Euro) beglichen. 1953 verzichtet Warschau bindend auf weitere Forderungen. Und im Zuge des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags von 1991 zahlte Deutschland umgerechnet 1,3 Milliarden Euro für offene Entschädigungsfragen.

Konflikt vorprogrammiert

Politische Beobachter sind sich einig, dass ein Beharren in dieser Frage das reinste Gift für die weitere Zusammenarbeit wäre. Für Berlin wäre damit eine „roten Linie“ überschritten, sollte Warschau offiziell Entschädigungen einfordern.

Entsprechend hatte sich Anfang des Jahres Polens Außenminister Jacek Czaputowicz (63) milde geäußert: „Wir streben ganz sicher nicht danach, dass diese Frage unsere Zusammenarbeit belastet.“ Dazu noch deutlicher: „Dieses Thema existiert in den Beziehungen zwischen unseren Regierungen nicht.“

Jetzt aber sagte er in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur, bei der Entschädigung der von Deutschland angegriffenen Länder habe es „einen Mangel an grundsätzlicher Fairness“ gegeben: „Polen wurde in diesem Prozess diskriminiert.“ Die deutschen Entschädigungen seien im Vergleich zu jenen an Frankreich und den Niederlanden „minimal“ ausgefallen.

Bereits beim Besuch von Bundesaußenminister Heiko Maas (52) am 1. August (Gedenktag Warschauer Aufstand) hatte Czaputowicz, der eigentlich als einer der Besonnensten in der Regierung gilt, schärfere Töne angeschlagen: „Wir haben keinen Grund, dieses Thema zu scheuen.“ Im Parlament würden Berechnungen der Kriegsschäden angestellt, auf der Basis werde man „bald reden können“.

Versteckte Agenda

Juristisch, da sind sich eigentlich alle Experten einig, gibt es für Warschau nichts mehr zu holen.

Vertriebene und deren Nachkommen weisen außerdem darauf hin, dass riesige ehedem deutsche Gebiete (Pommern, Schlesien, Ostpreußen) samt Haus & Hof an Polen abgetreten werden mussten, womit die Schuld gesühnt sei.

Die national-populistische Regierung ficht das alles nicht an, dort will man Berlin offenkundig auch moralisch weichklopfen.

Dabei geht es aber weniger um die zweifellos schlimmen Verbrechen von Wehrmacht und SS. Mit dem Spielen auf der antideutschen Geige und dem Schüren entsprechender Emotionen will man in erster Linie innenpolitisch punkten, vor allem mit Blick auf die wegweisende Wahl am 13. Oktober.

Durchaus denkbar daher, dass der Reparationsbericht erst anschließend veröffentlicht wird, dann mit einer breiten Parlamentsmehrheit. In Umfragen führt die PiS haushoch.

Teaser-Bild

Foto: Jens Oellermann

Auswege?

Offiziell will davon keiner sprechen: Aber dem ebenso heiklen wie brisanten Thema könnte mittels „symbolischer Gesten“ die Spitze genommen werden:

Einerseits, indem Deutschland als Wiedergutmachung den Wiederaufbau des von der Wehrmacht 1944 zerstörten „Sächsischen Palais`“ aus der Amtszeit von August dem Starken († 1733 in Warschau) im Herzen Warschaus finanziert.

Anderseits könnte die Bundesregierung eine Gedenkstätte in Berlin für die polnischen Opfer der Nazi-Herrschaft errichten lassen als „Versöhnungsgeste“ an Polen.

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